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NOVEMBER - Tone Avenstroup

7 Nov 2018 - 19:30
letzte fahrt. // ich trug sie über die kleine anhöhe, sie war weiß und steif. keine spuren, keine verletzung an ihrem federkörper. sie war liegengeblieben im schilf. nun schwebt sie auf dem wasser. der fluss treibt sie hinaus, gegen das licht.

Geöffnet ab 19:30 Uhr, Beginn 20:00 Uhr.

Die Stimmung ist dunkel. November. Gewiss, es wird dunkler werden. Bevor der Schnee kommt. Erinnerungen verschwinden. Dort, hinter dem Baum, wo der Blitz voriges Jahr eingeschlagen hat, schien der Mond. Ein Stück Vergänglichkeit.

Tone Avenstroup (Text und Performance)

in Zusammenarbeit mit Anouschka Trocker (Sound), Inghild Karlsen (Visual artist), Sophie Watzlawick (Filmschnitt), Tarwater (Musik).

letzte fahrt. // ich trug sie über die kleine anhöhe, sie war weiß und steif. keine spuren, keine verletzung an ihrem federkörper. sie war liegengeblieben im schilf. nun schwebt sie auf dem wasser. der fluss treibt sie hinaus, gegen das licht.

Produktion: Tone Avenstroup/sysselkontor. Produktionsmitarbeit: Christina Ertl-Shirley. Mit freundlicher Unterstützung von Theaterhaus Berlin, ausland-berlin, Bomuldsfabriken Kunsthall. Gefördert von Norwegian Arts Council, Fond for lyd og bilde.

 

DER NOVEMBER MACHT DEN UNTERSCHIED

Ein Waldstück, so spätherbstlich rau wie zeitlos romantisch. Die Bäume sehen wir bereits entlaubt; die langsame, zeitlupenhafte Fahrt der Kamera nach unten lenkt die Blicke auf das Unterholz. Dort ist noch grün. Dann ein Weg. Auf ihm zuckt eine geteilte Schlange im Todeskampf. Das ist eines der Bilder, die die berlinisch-norwegische Künstlerin Tone Avenstroup in ihre neue Performanceproduktion „november“ eingebaut hat. Eine archaische Metapher, so wie auch ein toter Schwan, stromabwärts treibend, oder ein zappelnder Fisch im Waschbecken. Bilder, die einem bösen Märchen entnommen sein könnten.

Ein Text, der einen langen Abschied, eine dezidierte Trennung markiert. Sein deutsch-norwegischer Titel: „weg, bane“. Daraus: „er wollte sich ändern han ville forandre seg und ich glaubte ihm jeg trodde ham // er wiederholte seine fehler han gjentok sine feil auch unsere gemeinsamen også de vi hadde gjort sammen in der wiederholung slik ble han var sine spor wurden ihm seine schritte klar overtramp fehltritte feiltråkk es lagen tote auf seinem weg det lå fullt av døde.“

Die Bilder sind tatsächlich in einem norwegischen November entstanden, in einem Sommerhaus an der Südküste. Den Text hat Avenstroup (seit 2001 Verfasserin mehrerer Lyrikbände, seit längerem schon Autorin) danach geschrieben. Er ist einer von mehreren, die in der Performance zu hören sein werden, erschienen sind einige davon in den Literaturzeitschriften Herzattacke und Idiome.

Wer Avenstroups Texte kennt und die Autorin beim Vortrag erlebt hat, könnte verwundert sein: Bis jetzt hat sie ihre Texte zumeist zweisprachig veröffentlicht und auch präsentiert, beide Varianten aber voneinander abgesetzt. Jetzt befinden sich die beiden Sprachen der Autorin in einem auch typographisch umgesetzten fließenden Übergang, ähnlich denen des Traums und des Dämmerns. Es war ein Schlafstück, das am Anfang dieser Texte stand.

Zur „november“-Performance gibt es drei neue Songs des Berliner Elektro-Drift-Duos Tarwater (Bernd Jestram, Ronald Lippok). Fast schon eine Maxi-Single, nur, mit nach Hause nehmen kann man sich die bis jetzt nicht. Man muss schon in die Aufführung dafür. Permanente Verfügbarkeit ist nicht das Ziel. Die Hörspielregisseurin Anouschka Trocker wird einen Klangteppich live beisteuern und Avenstroup begleiten. Rex Joswig, Sänger des Baltic-Rock-Trios Herbst in Peking, leiht „november“seine Stimme für eine Tape-Einspielung. Das Bühnenbild stammt von der Künstlerin Inghild Karlsen.

Wenn „november“ läuft, dann ratternd. So, wie in einem alten Kino. Die Filmregisseurin Sophie Watzlawick hat aus Avenstroups Fotos einen 16-mm-Film erstellt. An seinem Anfang flackert eine Glühlampe. Wenn sie erlöscht, bleiben eine Einbahnstraße und ein verwittertes, leeres Haus. In „november“ wird viel zu Ende gehen und dabei so schnell nicht aufgeben wollen. „Dunkel“, sagt die Künstlerin. Nicht düster, ist das doch ein Unterschied.

Robert Mießner