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schleusen#28: "Sowas von harmlos in dieser Zeit.."

17 May 2012 - 19:30

Über Funny van Dannens radikale Naivität.                                                                                 Vortrag von Magnus Klaue.

Geöffnet ab 19:30 Uhr, Beginn des Vortrags um 20:30 Uhr.

Naiv kann man nicht werden
Naiv muss man sein
Funny van Dannen, „Call-Center-Chor“

Kunst zu machen wird immer anstrengender. Wer es sich mit den Freunden der Realität, die längst auch in der Phantasieproduktion zu Chefs vom Dienst aufgestiegen sind, nicht verscherzen will, muss vieles beachten, bevor er losschreibt, –singt oder –pinselt: den Materialstand, die Transmedialität, die interkulturelle und die Genderperspektive, und natürlich Adornos unbegriffenes „Diktum“ über Kunst nach Auschwitz. Weil aber schamlose Kreative die Herausforderung lieben, ist ihnen das kein Hindernis, sondern Ansporn zur verlässlichen Überproduktion von progressivem Kulturmüll. Engagierte, emanzipatorische Kunst, die auf die Fragen der Zeit antwortet, statt sie als Affront gegen die Einbildungskraft abzuweisen, ist der Ausdruck einer Gesellschaft, die sich den Geist ebenso abgewöhnt hat wie die Fähigkeit zur Einfalt, ohne die er nicht zu denken ist. Der wohlorientierte Stumpfsinn, den nichts überrascht, weil er nichts erfahren kann, hasst nichts so sehr wie die Naivität, in deren ohnmächtigem Glücksversprechen er den eigenen Verrat an der Wahrheit wittert.

Diesen Begriff von Naivität, die das Gegenteil von Unmittelbarkeit, sondern als Widerstand gegen die fortschreitende Rohheit der Welt in sich selbst vermittelt ist, wird der Vortrag an den Liedern von Funny van Dannen erläutern. Die Beschäftigung mit ihnen lohnt sich nicht nur wegen der ergreifenden Arglosigkeit, mit der sie alle Anforderungen an Avanciertheit, Kritik und emanzipatorische Praxis unterbieten. Vielmehr sind sie in ihrer Trivialität, die ihre Wahrheit ausmacht, die einzige Antwort auf die Lieder Heinrich Heines, die die späte Moderne hervorgebracht hat. Beiden gemeinsam ist eine Utopie vom Ende der Kunst, die nichts mit der kunstfeindlichen Barbarei zu tun hat, welche üblicherweise unter diesem Begriff firmiert: die Sehnsucht nach einer Welt, die keine Kunst mehr nötig hätte, weil das zweckfreie Glück, das diese vorstellt, der Menschheit selbst zugefallen wäre.

Magnus Klaue ist Redakteur der Wochenzeitung „Jungle World“ und schreibt u. a. für „Konkret“ und „Bahamas“. 2011 erschien sein Buch „Poetischer Enthusiasmus. Else Lasker-Schülers Ästhetik der Kolportage“ im Böhlau Verlag.

Zu Funny van Dannen: http://jungle-world.com/artikel/2012/09/44993.html