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Vers + Welt: Anja Utler | Zeugenschaft
Vers + Welt #5 | Salon für Gedichte und Sachfragen
Lesung und Gespräch
Anja Utler: Aus der Welt. In 33 Sätzen
Lesen & Hören: www.lyrikline.org
Leseprobe "Aus der Welt": www.hundertvierzehn.de
über das Sprechen von Lyrik: www.logbuch-suhrkamp.de
Vortrag und gemeinsame Diskussion
Dr. Sibylle Schmidt: Zeugenschaft
"Ethik und Episteme der Zegenschaft": www.wallstein-verlag.de
Einleitung „Zeugen in der Kunst“ (Hrsg. S. Schmidt + Sibylle Krämer): www.fink.de
Geöffnet ab 19:30 Uhr, Beginn 20:00 Uhr.
Eintritt: 5 € (Abendkasse) | @facebook
In ihrem gegenwärtigen Schreibprojekt Aus der Welt. In 33 Sätzen thematisiert Anja Utler in 33 Einzelgedichten, die in sich als Triptychen narrativer Poesie strukturiert sind, gewaltförmige Bedrängniskonstellationen und persönliche Konfliktsituationen Einzelner, die anonym bleiben. Die Texte versetzen uns in deren fiktives Erleben hinein – Ausgangspunkt ihrer Stoffe sind nicht konkrete Einzelschicksale, sondern typische Muster, die sich in Gesellschaft und Lebenswelt reproduzieren. Als solche kennen wir sie vom Hörensagen aus der Welt, in der wir leben – das gibt es –, ohne sie selbst am eigenen Leib erfahren haben zu müssen.
Stilistisch führen diese Annäherungen ein unvorhersehbares Eigenleben zwischen berichthaftem Gedächtnisprotokoll, der spontanen Reflexion eines auf eigentümliche Weise nach außen verschobenen inneren Monologs und der Zerstreuung eines verknappten stream of consciousness.
So entstehen sprachlich-spekulative Zwischenräume, in denen sich die Perspektiven von Sprecherinstanz, Figur und Leserin einander momenthaft anverwandeln, und der Konflikt zwischen einem literarischen Ethos der Empathie und der in ihm angelegten Prekarität des Übergriffigen ausgetragen wird.
Statt für andere zu das Wort zu ergreifen, sprechen die Aus der Welt-Triptychen für sich, sprechen der Auseinandersetzung mit vorgefundenen Konstellationen hinterher und hoffen, dass deren nie paraphrasierbarer Erfahrungskern der Einladung folgt, im Gewebe dieser Texte aufzublitzen.
Die Aus der Welt-Gedichte sind nicht zur Publikation am Buchmarkt vorgesehen, werden u.a. bei Lesungen einzeln als getackerte Zettel verschenkt.
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Als Wissensquellen gelten in der Philosophie klassischerweise unsere Fähigkeit zum logischen Denken, die sinnliche Wahrnehmung und unser Erinnerungsvermögen. Doch ein Großteil dessen, was wir im Alltag als Wissen betrachten, haben wir weder mit eigenen Augen gesehen, erinnert oder durch logische Schlußfolgerungen erkannt: Wer Cäsar ermordet hat, woraus Aspirin besteht oder wer unsere Eltern sind - nahezu all unser Alltags- und Weltwissen basiert auf dem Zeugnis anderer, und damit auf Vertrauen, das wir den Worten anderer entgegenbringen. Literatur und Dichtung haben diesen Umstand seit jeher reflektiert, und eine spannungsvolle Beziehung zum Testimonialen gepflegt. Sibylle Schmidt zeigt in ihrem Vortrag, wie in der Praxis der Zeugenschaft eine tiefe Verbindung von Wissen und Ethik aufscheint, die in extremen Fällen der Überlebenszeugenschaft besonders greifbar wird. Welche Impulse gehen von der Dichtung für eine ‚Ethik des Wissens‘ aus?
Anja Utler, *1973, lebt nach Jahren in Wien derzeit in Regensburg und Prag. Sie ist Dichterin, Essayistin und Übersetzerin, außerdem hat sie zu Fragen der Lyriktheorie gearbeitet.
Zuletzt erschienen von ihr die Essay-/Theoriebücher "Von den Knochen der Sanftheit. Behauptungen, Reden, Quergänge." und " 'manchmal sehr mitreißend'. Von der poetischen Erfahrung gesprochener Gedichte." (beide 2016) sowie 2011 der Band "ausgeübt. Eine Kurskorrektur."
Seit 2015 entwickelt sie das poetische Mikropublikationsprojekt Aus der Welt. In 33 Sätzen. Derzeit ist sie Thomas-Kling-Poetikdozentin der Universität Bonn.
Dr. Sibylle Schmidt, *1982, lehrt derzeit Philosophie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sie studierte Philosophie und Neuere Deutsche Literatur in Freiburg im Breisgau, Paris, Berlin und Jerusalem und wurde 2013 mit ihrer Arbeit zu „Ethik und Episteme der Zeugenschaft“ (ersch. 2015 bei Konstanz University Press) promoviert. Publikationen zu Zeugenschaft als ethische und politische Praxis, zur sozialen Erkenntnistheorie und der Figur des Zeugen in der Kunst.
Vers + Welt | Salon für Gedichte und Sachfragen
präsentiert Lesungen zeitgenössischer Lyrik zusammen mit Vorträgen über nichtliterarische Themen, die von den Dichtern ausgewählt wurden: Expertinnen aus Wissenschaft und Praxis sprechen zu Sachfragen, die in Bezug zu den Gedichten stehen.
Der Salon ist ein Forum für das Teilen von Wissen, und im Austausch zwischen den Auftretenden und in der offenen Diskussion mit dem Publikum gibt es Gelegenheit nachzufragen, gemeinsam weiterzudenken und zu spekulieren. Dabei wird kein näheres Vorwissen vorausgesetzt und kein bestimmtes Fazit oder Ergebnis angestrebt – die aufregendsten Gedanken verfertigen sich schließlich oft, mit Kleist gesagt, beim Reden.
Ausgangspunkt von Vers + Welt ist das Interesse der Autoren an bestimmten Sachgebieten und Gegenständen des Denkens, die außerhalb der Lyrik liegen. Dieses Interesse kann als Inspiration am Anfang eines einzelnen Texts stehen, ein übergreifendes Thema der Auseinandersetzung und des Schreibens sein, oder es ergibt sich im Schreib- und Rechercheprozess durch Zufallsfunde.
Jede Veranstaltung beginnt mit der Lesung der Dichterinnen, gerahmt von einem kompakten Gespräch über die gelesenen Texte. Nach einer Pause hören wir den Vortrag, auf den die gemeinsame offene Diskussion folgt. Später gibt es Musik und Getränke an der Bar.
Vers + Welt ist ein Format innerhalb der Reihe Lyrik im ausland, deren Veranstalter Tobias Herold die Abende moderiert.
Mit freundlicher Unterstützung der Berliner Sentsverwaltung für Kultur und Europa und durch die Medienpartner von "Vers + Welt": taz - die tagszeitung & fixpoetry.