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Alexander von Schlippenbach Trio

14 Dec 2008 - 20:30
Location: 
Sophiensaele

Alexander von Schlippenbach Trio  (D/GB)
feat. Evan Parker and Paul Lovens

Alexander von Schlippenbach (Grand Piano / Berlin)
Evan Parker (Saxophone / London)
Paul Lovens (Selected Drums and Cymbals / Aachen)

Eintritt: 8.- (erm.) /13.- Euro

Zu Religion gehört auch das Ketzertum. Der Vorwurf, ein Ketzer zu sein, wird oft bewusst in Kauf genommen, um künstlerische Entwicklungen voranzutreiben und das alte Establishment anzugreifen. Das 1972 gegründete Schlippenbach-Trio mußte sich den Vorwurf des Ketzertums lange anhören, da seine Musiker mitverantwortlich waren für eine musikalisch-spirituelle Revolution, die ab Mitte der 60er Jahre die Katechismen des Jazz für ungültig erklärte und den Free Jazz auf die Kanzel hob. Im festen Glauben daran, irgendwann zum Kanon des Jazz zu gehören, bekämpfte das Schlippenbach-Trio festgefahrene Glaubensgrundsätze, revolutionierte die Aufführungspraxis und forderte anstelle des Schöpfergeistes mehr Forschergeist. Das Schlippenbach-Trio hat den europäischen Jazz geprägt und es ist eines der langlebigsten Kollektive der Improvisierten Musik.
 

Vinko Globokar hat einmal gesagt, beim freien Improvisieren interessiere ihn nur die erste Begegnung zwischen Musikern. Schon beim zweiten Zusammenspiel sei der Improvisationsprozeß nicht mehr frei und offen, sondern durch die gemeinsamen Spielerfahrungen belastet und eingeschränkt. Schlippenbach ist da anderer Ansicht: "Es bilden sich Klischees heraus, gewisse Dinge, die von der Erwartung her eintreffen mögen; man stellt sich darauf ein, und die Musik bekommt eine bestimmte Richtung. Wenn man es aber fertig bringt, durch solche Phasen hindurchzugehen, und sich kritisch genug damit auseinandersetzt, dann kann man einen Schritt weiterkommen. Und dann kriegt die Musik plötzlich einen festen Boden unter den Füßen, der ihr sonst erstmal fehlt."
Soweit Schlippenbach im Gespräch mit Peter Niklas Wilson.

Seit nunmehr dreißig Jahren improvisieren Paul Lovens, Evan Parker und Alexander von Schlippenbach zusammen - eine Kontinuität der gemeinsamen Spielpraxis, die selten ist in der Improvisationsszene. Sicherlich, wer Elf Bagatellen und Physics, die beiden vorangegangenen CD`s des Schlippenbach Trios kennt, wird auf Complete Combustion nur wenig neues Material, kaum neue Gestaltungsmittel und Spielideen entdecken. Schlippenbachs stringente Motivik und seine erlesenen Clusterfarben, Lovens leichtfingriges Perkussionsspiel, seine schwebende Time auf den Becken und die Einlagen mit der singenden Säge, Parkes Stakkatissimo-Kaskaden auf dem Tenorsaxophon, seine Zirkularloops auf dem Sopran, auf die seine Mitmusiker mit federnden Perpetuum-Mobile-Rhythmen antworten - all das kennt und liebt man seit langem. Neu ist vielleicht die Offenheit der Spielkonstellationen, der Wechsel zwischen Soloeinlagen, verschiedenen Duo-Konstellationen und Triopassagen unterschiedlicher Dichte und Intensität. Doch es hieße falsche Maßstäbe (diejenigen der abendländischen Werkästhetik) an eine Improvisationsgruppe anlegen, erwarte man vom Schlippenbach Trio von Konzert zu Konzert und von Plattenaufnahme zu Plattenaufnahme Innovatives und Ungehörtes. Es ist gerade der vertraute Boden, auf dem sich Schlippenbach, Parker und Lovens - die ihre Originalität und Innovationskraft übrigens jeder für sich längst bewiesen haben - bewegen, ihre Art kollektiv zu atmen, gemeinsam Spannungsbögen zu entfalten, wodurch Complete Combustion zu einem faszinierenden Hörerlebnis wird.
Martin Pfleiderer, Neue Zeitschrift Für Musik (Mai/Juni 2000)